Der Hering (Clupea harengus) bleibt auch im Jahr 2022 Fisch des Jahres

Fisch des Jahres 2021/2022: der Hering (Clupea harengus; Quelle Abbildung: DAFV, Eric Otten)

Der Deutsche Angelfischerverband e.V. (DAFV) hat sich in Abstimmung mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) und dem Verband Deutscher Sporttaucher (VDST) dazu entschlossen, den atlantischen Hering (Clupea harengus) im Jahr 2022 nochmals als Fisch des Jahres zu benennen. Aufgrund der Corona-Pandemie im Jahr 2021 war es nicht möglich dem Hering die Aufmerksamkeit und Anerkennung zukommen zu lassen, die dieser Fischart gebührt. Der atlantische Hering (Clupea harengus) ist daher auch der Fisch des Jahres 2022.

In den letzten Jahren wurde die Forschung zum Hering stark intensiviert. Die neuen Erkenntnisse werden – womöglich auch durch die Ernennung des Herings zum Fisch des Jahres 2021 – z. B. vom Thünen-Institut auf einer Webseite (https://thuenen.pageflow.io/der-hering-in-der-klimafalle) und in einem Podcast (Klimawandel und Meer – Der Fall Ostsee, Teil 1 und 2) eindrucksvoll dargestellt.

Die Situation des Herings in der Ostsee hat sich im laufenden Jahr noch einmal zugespitzt. Die Laicherbiomasse des Herings stabilisiert sich in der westlichen Ostsee auf einem sehr niedrigen Niveau. Für den Hering in der zentralen Ostsee sieht es dagegen noch schlimmer aus als im vergangenen Jahr. Der vermeintlich nachwuchsreiche Jahrgang 2019 ist wohl doch nicht so groß wie erst angenommen. Laut ICES unterliegen beide Bestände trotz aller Beschränkungen immer noch einem zu hohen fischereilichen Druck. Die Anlandungen von Hering in Deutschland haben sich aufgrund der Beschränkungen der Fischerei von 17.000 t in 2018 auf 9.250 t in 2019 fast halbiert. Damit sinkt auch die wirtschaftliche Bedeutung des Herings in den Küstenregionen, obwohl der Hering 2020 immer noch auf Platz vier der beliebtesten Speisefische in Deutschland stand. Die Nachfrage muss daher aus Importen oder weit entfernten Fanggründen gedeckt werden. Ohne stabile Heringsbestände steht die Küstenfischerei in Mecklenburg-Vorpommern in naher Zukunft vor dem Aus.

Neben der gewerblichen Fischerei stellt vor allem der Klimawandel und die damit einhergehende Erwärmung der Ostsee einen der Hauptgründe für die schwindenden Heringsbestände dar. Wärmeres Wasser lässt die Heringe immer früher im Jahr ablaichen sowie die Larven schneller schlüpfen. Zu dieser Zeit ist jedoch die Nahrungsgrundlage, das Zooplankton (Kleinkrebse), noch nicht in ausreichender Menge und verzehrbarer Größe für die Heringslarven verfügbar. Dies ist erst der Fall, wenn die Tage länger werden – da die Heringslarven nun früher da sind, verpassen sie somit das überlebenswichtige Zooplankton. Durch abnehmende Heringsbestände sind auch weitere Auswirkungen auf das Ökosystem Ostsee zu erwarten, da der Hering nicht nur ein Konsument, sondern ebenfalls eine wichtige Nahrungsgrundlage für weitere Arten wie Dorsche, Robben oder Schweinswale in diesem Gewässersystem ist. Die Oberflächentemperatur im Februar 2020 war die Höchste der letzten 30 Jahre. Gleichzeitig wurde 2020 die geringste Anzahl an Heringslarven der letzten 30 Jahre berichtet. Laut der Wissenschaft kann mit der Erwärmung der Ostsee über 50% des sinkenden Nachwuchses erklärt werden und ist somit als der wichtigste Einzelfaktor anzusehen.

Ein weiterer schwerwiegender Faktor für den Hering ist der übermäßige Nährstoffeintrag (Eutrophierung) in die Ostsee und die Bodden-Gewässer. Dieses Überangebot an Nährstoffen begünstigt das Wachstum von freischwebenden Algen im Greifswalder Bodden und verringert gleichzeitig den Lichteinfall in tiefere Wasserschichten. Ohne Licht können größere Pflanzen nicht mehr wachsen und den Heringen fehlt folglich das für die Fortpflanzung nötige Laichsubstrat. Im Greifswalder Bodden, einem der wichtigsten Laichgebiete für den frühjahrslaichenden Hering, hat die Bedeckung des Meeresbodens mit höheren Wasserpflanzen auf etwa 7% der ursprünglichen Fläche abgenommen. Die Wissenschaft ist der Meinung, dass eine Verringerung des Nährstoffeintrags durch die Landwirtschaft, beispielsweise über den Peenestrom während der Laichzeit, sofort spürbare positive Auswirkungen auf das verstärkte Algenwachstum hätte. Ein so großes Ökosystem, wie es die Ostsee ist, unterliegt vielen Einflussfaktoren. Dementsprechend ist es nicht möglich, einem bestimmten Aspekt den Rückgang des Herings zuzuschreiben. Vielmehr müssen alle Parameter im Zusammenspiel betrachtet und bewertet werden. Unumstritten ist jedoch, dass einer der bekanntesten und beliebtesten Speisefische – der Hering – in Deutschland gefährdet ist. Für diese Gefährdung gibt es verschiedene Ursachen. Vor allem der Klimawandel, mit seinen weitreichenden Auswirkungen auf ökologische Zusammenhänge, spielt hier eine entscheidende Rolle. Mit dem Hering als Fisch des Jahres 2022 wollen wir ein weiteres Jahr auf die veränderten Lebensbedingungen und die enorme Wichtigkeit dieser Fischart in den Küstenregionen aufmerksam machen.